Mittelafrika / Zentralafrika

Reiseberichte Zentralafrika

Aus dem Sanella-Album Afrika

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Wir hatten die Tage der Ruhe genutzt, um alles wieder flottzukriegen. Unser Jeep funkelte, als wäre er gerade neu aus der Fabrik gekommen. Frisch und munter fuhren wir in Richtung Amboland. Der Weg war zwar beschwerlich, aber unser Wagen schaffte es spielend. So hatten wir auch keinen Grund, auch nur eine Sekunde unsere gute Stimmung zu verlieren. Ich spielte die neuesten Schlager auf meiner Mundharmonika, und Brand sang dazu. Die Zeit verging wie im Fluge. Wir hatten den Waterberg längst hinter uns gelassen, als wir auf ein Owambodorf stießen. Hier war große Aufregung. Tura-Wambo, der Häuptling, war krank. Seit Tagen klagte er über starke Leibschmerzen. Als despotischer Herrscher ließ er natürlich die schlechte Laune an seinen Untertanen aus, und wir sahen daher überall nur ängstlich dreinblickende Gesichter. Auch der Medizinmann war beinahe in Ungnade gefallen. Da merkte Brand sofort, daß er hier wieder einen seiner Späße anbringen konnte. Er ließ Tura-Wambo erklären, daß er ein großer weißer Medizinmann sei, der ihm helfen könne.

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Daraufhin wurden wir sofort von dem launenhaften Kranken empfangen. Unter Grunzen und Quieken versuchte er uns klarzumachen, wo es ihn schmerzte. Brand begann nun mit einer Krankenbehandlung, wie ich sie verrückter noch nie erlebt hatte. Er schob sich seine Autobrille ins Gesicht, nahm unseren Benzintrichter als Hörrohr, griff dann nach der Rizinusflasche und ließ den Häuptling eine ganze Menge von dem Zeug schlucken. Währenddessen mußte ich auf meiner Mundharmonika "Ich hab' mich ergeben" spielen. Der Erfolg dieser Beschwörung war jedenfalls durchschlagend. Noch tagelang wurden wir von dem geheilten Tura-Wambo und seinen Leuten als weiße Medizinmänner gefeiert.

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GEHEIMNISVOLLES KONGO

Nach der kuriosen Heilung des "kranken" Owambohäuptlings setzten wir frohgelaunt unsere Fahrt durch Angola fort. Allmählich veränderte sich das Landschaftsbild, und aus der trockenen Steppe kamen wir in das Gebiet der Feuchtsteppen. Üppige Grasländer wechselten hier mit trockenem Hochwald. Anden Flüssen zogen sich Galeriewälder entlang. In Katanga erreichten wir den Südzipfel von Belg.= Kongo. Noch ehe wir in Elisabethville, dem industriellen Zentrum des wichtigsten Bergbaugebietes der Erde einfuhren, machten uns die Motorengeräusche startender und landender Flugzeuge auf die Wichtigkeit dieser afrikanischen Stadt aufmerksam. Elisabethville ist wirklich eine Stadt von täglich wachsender Bedeutung, denn das Katanga=Gebiet birgt Pechblende, welche das heute so unentbehrliche und kostbare Uran enthält. Außer Uranbergwerken gibt es noch große Kupfererzlager sowie Zinn, Kobalt und Kohle.

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Elisabethville

Hier spürt man den Pulsschlag der Welt und war doch im Inneren Afrikas. Gewaltige Fabriken und große Bergwerke mit hohen Halden wechselten ab mit modernen Geschäftshäusern. Hier wird das wertvolle Uran gefördert. Kupfer und Zinn werden geschürft.. Die Luft dröhnt von den viermotorigen Flugzeugen, die die Hauptstadt der Katangaprovinz Elisabethville mit der weitentfernten Außenwelt verbinden. Hier gilt die Parole: Zeit ist Geld. Alles dient dem modernen Fortschritt. Afrikas Industrialisierung hat begonnen.

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Elisabethville

Elisabethville liegt an der Katangabahn, etwa 3200 m über dem Meeresspiegel. Es ist eine Provinzstadt in Belgisch Kongo und Mittelpunkt der Kupfer- und Uranbergwerke. Hier befindet sich die größte Bergwerksgesellschaft der Welt. 6200 Weiße leben unter den rund 70 000 Eingeborenen. Wegen seiner wichtigen Kupfer- und Uranvorkommen steigt Elisabethvilles Bedeutung wirtschaftlich sehr schnell. Die Stadt hat auch einen Flughafen.

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Afrika

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Rund 70 000 Eingeborene arbeiten und schaffen in diesem reichen Industriegebiet des Kongo. So interessant wie alles war, wir wollten jedoch jenes geheimnisvolle Kongo kennenlernen, von dem wir schon so viel gehört hatten. Der Weg zum Eduardsee und von da den Kongofluß entlang nach Leopoldville führte uns mitten durch die geheimnisvolle Welt des vielleicht seltsamsten Landes Afrikas. Es war eine ungemein gefährliche, aber doch reizvolle Fahrt durch das schöne und fruchtbare Gebiet des Regenwaldes. Hier wuchs und grünte alles in bunter Fülle, und von den üppig behangenen Bananenstauden aß ich soviel ich nur konnte. Wild gab es in Überfluß. Auf den mit Gras bewachsenen Ebenen und in den dichten Wäldern sahen wir Elefanten, Büffel und Flußpferde, Antilopen und wilde Schweine, Perlhühner, rotbeinige Rebhühner, Wachteln und vieles andere. Die Menschen aber, die wir dort trafen, waren primitive Zwergvölker.

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DRÖHNENDE TROMMELN • TAUMELNDE TÄNZER

Hier, wie überall in Afrika, spielt natürlich Musik und Tanz eine wichtige Rolle. Bei den Bango-Bango hatten wir Gelegenheit, besonders urwüchsige, wilde, sich bis zur Ekstase steigernde Tänze zu erleben. Mr. Brand versuchte die afrikanischen Tänze näher zu erforschen. Er sah in ihnen den unverhüllten Ausdruck afrikanischer Urwüchsigkeit, den er seinem amerikanischen Leserkreis nicht vorenthalten wollte. Im Leben der Eingeborenen wird jedes Ereignis durch Feste und Tänze gefeiert. So verschieden wie die Stämme in Afrika, so verschieden sind auch die Sitten und Gebräuche, die Arten, Feste zu feiern und zu tanzen. Nur in einem sind sich alle gleich. Einen gemeinschaftlichen Tanz von Mann und Frau, wie wir ihn kennen, gibt es dort nicht. Am freiesten sind die Dorftänze, denen keine religiöse Zeremonie zugrunde liegt. Aus einem Gefühl überreicher Lebensfreude entspringt der Tanz. Die große Trommel wird in der Mitte des Dorfplatzes aufgestellt.

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Herum gruppieren sich die schwarzen Künstler mit ihren verschiedenen, oft sehr eigenartigen Instrumenten. Die große Trommel ist die Mutter der afrikanischen Musik. Die anderen vielen Instrumente, sei es die Flöte, die Gede, die Sehgura, die Rassel, die Zupfgeige, die Handtrommel, die Fußpauke oder das hölzerne Xylophon, auch Marimba genannt, geben immer nur die Begleitmusik. Helle Lebensfreude strahlt aus den dunklen Gesichtern, wenn sich die Tänzer im Kreis um ihre tüchtige Kapelle scharen. Weiß leuchten ihre Zähne beim frohen Lachen. Wiegende Körper, klatschende Hände begleiten die geräuschvolle Musik, die nur aus Rhythmus besteht. Junge Mädchen stehen, vor Erregung zitternd, eng umschlungen. Die Hand des jungen Kriegers hält den Stab fest, den er an Stelle des Speeres zum Dorftanz trägt. Dürre alte Weiber feuern durch schrille Schreie und groteske Sprünge die Jugend an. Einzelne Tänzer springen in den Kreis, wirbeln herum, um mit lautem Jauchzer unter dem Beifall der vielen Zuschauer ihren Platz wiedereinzunehmen, bis im wilden Trubel die schwarze schweißtriefende Menge wie toll auf dem Dorfplatz dahinrast.

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Musikinstrumente der Neger in Angola

Hei - wie das rasselt, tönt und klingt! Das macht Spaß, wenn die Schwarzen ein "Konzert" geben. Sie lieben Musik und sind: erfinderisch in der Anfertigung ihrer Instrumente. Immer wieder haben mich diese eigenartigen, wirbelnden, rhythmischen Klänge in ihren Bann gezogen.

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Musikinstrumente der Neger in Angola

Angola, unter portugiesischer Hoheit, liegt an der Westküste Afrikas. Tiere: Antilope, Zebra, Giraffe, Strauß, Nashorn, Elefant und Flußpferd. Bodenschätze: Eisenerze, Silber, Erdöl, Kupfer, Diamanten und Gold. Landwirtschaftliche Erzeugnisse: Mais, Kaffee, Zucker, Palmöl. In Angola leben etwa 3,2 Millionen Eingeborene und 59000 Europäer. Hauptstadt: Loanda. Hafenstädte: Loanda, Lobito und Benguela. Loanda wurde im Jahre 1576 gegründet.

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Ekstatische Tänze

Bei den Bango-Bango erlebten wir urwüchsige, wilde, sich bis zur Ekstase steigernde Tänze. Begleitet von dem Beifallklatschen und Kreischen der Menge wirbelten die Einge-borenen in tollen Sprüngen herum, bis sie schließlich erschöpft zusammenbrachen.

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Ekstatische Tänze

Ekstase ist ein körperlich- seelischer Zustand, in dem sich der Mensch auf Zeit den normalen geistig- seelischen Bedingungen und Gesetzlichkeiten enthoben fühlt. Die Grenzen zwischen Innen- und Außenwelt lösen sich auf. Naturvölker mit ihren kultischen Tänzen führen diese bis zur Ekstase. Sie glauben, so den Geistern nahe zu sein und auch wohl mit ihren Ahnen in Verbindung zu treten.

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Nur Naturmenschen vermögen sich mit solcher Leidenschaft und ungezügelter Lebensfreude dem Tanz hinzugeben. So wild aber auch die Tänze den Zuschauern erscheinen, so bewegen sie sich doch immer in den alten ehrwürdigen Formen. Nur beim Dorftanz, dem Freudentanz, sind Männer und Frauen zusammen. Bei Kriegs= und Jagdtänzen vereinen sich nur die Männer, und den Frauen ist es lediglich gestattet, am Rande des Platzes als Zuschauer Aufstellung zu nehmen. So wie es nur Tänze für die Männer gibt, gibt es auch solche nur für Mädchen. In einer Vollmondnacht konnten wir einmal einen solchen Tanz der Mädchen sehen. Zuerst standen die weißgepuderten Tänzerinnen in gebückter Haltung, den Blick zur Erde gesenkt. Eine fettartige Masse hatte als Puder gedient. Mit trippelnden Schritten begann im Gänsemarsch der Tanz. Schneller und schneller bewegten sie sich im Kreise, um zum Schluß im tollen Wirbel auseinanderzustieben. Dann mischten sich ältere Frauen in den Tanz. Es war ein phantastisches Bild, im fahlen Licht des Vollmondes die weißen Mädchenkörper zwischen den ebenholzfarbenen der Frauen zu sehen.

GRAUSAME SITTEN UND GEBRÄUCHE

Hatten uns im südlichen Industriegebiet Katanga die muskelbepackten Schwarzen als Industriearbeiter imponiert, so überraschten uns die kleinen wendigen Krieger und Jäger des Regenwaldes durch ihre grausamen Sitten und Gebräuche. Die Völker des Kongo sind als besonders grausam bekannt, und die Gerüchte von Kannibalismus, wonach Menschen getötet und verzehrt werden, verstummen nicht.

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Oft genug wurden wir vor einer Kongoreise gewarnt. Wir hatten gerade ein Dorf der Lolo=Mongo erreicht. Da flogen auch schon aus dem Hinterhalt unserem Wagen, den wir vorsorglich geschlossen hatten, Pfeile entgegen. Brand fuhr trotzdem laut hupend bis in die Mitte des Dorfes, das wie ausgestorben vor uns lag. Der Dauerton unseres Hornes schien die Bewohner doch erschreckt zu haben. Erst als wir einige Zeit in unserem Wagen verweilten und an Stelle der Hupe laute Radiomusik ertönen ließen, wagten sich vorsichtig einige Männer heran. Es dauerte dann nicht mehr lange, bis unser Fahrzeug von vielen kleinen, höchstens 1,50 Meter großen und mit Pfeil und Bogen bewehrten Kriegern umstellt war. In einem unendlich erregten und lauten Palaver wurde die Verhandlung zwischen Brand, dem Häuptling und seinen Beratern geführt. Ich muß ehrlich sagen, daß mir dabei keineswegs wohl zumute war. Brand schien jedenfalls auch nicht ganz sicher zu sein, und er rief mir zu: "Jürgen, den Burschen müssen wir anders beikommen! Reich mal das Päckchen herüber!"

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Nun wußte ich, was er wollte. Brand hatte sein listiges Lächeln wiedergewonnen, als er mit einem Streichholz den ihm gereichten Packen entzündete und in die Luft warf. Ein gewaltiger Knall zerriß die Mittagsstille, und heulend zischte eine Signalrakete in die Höhe. Das war zuviel für die feindlichgesinnten Männer, und ihre anfängliche Widerspenstigkeit verwandelte sich schnell in tiefe Ergebenheit. Als Brand dem Häuptling noch einige Geschenke machte, war der Bann restlos gebrochen, und wir genossen sein volles Vertrauen. Dadurch bekamen wir Gelegenheit, eine der sensationellsten Rechtsprechungen am Kongo zu erleben.

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Kupfer- und Uranvorkommen in der Provinz Katanga

Das ist Bongo, so wird er jedenfalls gerufen. Er ist der Typ des kräftigen, muskulösen, ober auch geschickten Afrikaners, überall, wo kraftvolle Arbeiter gebraucht werden, wie in Uran- und Kupferbergwerken, da könnt ihr ihn finden.

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Kupfer- und Uranvorkommen in der Katangaprovinz

Katanga beherbergt das wichtigste Bergbaugebiet der Erde. Hier wird die Pechblende, welche das wichtige Uran enthält, gewonnen. Es gibt große Kupfererzlager; aber auch Zinn, Kobalt und Kohle sind vorhanden. Katanga liegt im Süden des Kongogebietes

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Rechtsprechung am Kongo

Heute war ein großer Tag für die Stammesangehörigen. Es mußte Gericht gehalten werden. Der Häuptling, als oberster Richter, saß dem Angeklagten und Kläger mit verbundenen Augen gegenüber, um unparteiisch Urteil sprechen zu können. Seine Berater standen ihm zur Seite und verfolgten interessiert das Für und Wieder. Nach stundenlangem Verhör entschied der Häuptling, daß die Wahrheit nur durch eine Giftprobe zu erfahren sei. So geschah es dann auch, und ....?

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Rechtsprechung am Kongo

Der Kongo ist der gewaltigste Fluß Afrikas, wenn man seine zahllosen Nebenflüsse einrechnet. Mit seinen 4600 km ist er der zweitgrößte Strom Afrikas nach dem etwa 6000 km langen Nil. Er entwässert das Kongobecken, die Beckenlandschaft Katangas und das Einzugsgebiet des Tanganyikasees, }Z Stromschnellen und Wasserfälle unterbrechen den Flußlauf. Die Livingstone-Fälle sind die bekanntesten. In einer Breite von 40 km fließt der Kongo in den Atlantischen Ozean. Zum Teil ist er für größere Dampfer schiffbar.

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GERICHTSSITZUNG AM KONGO

Schon am Tage vor der Gerichtssitzung spürten wir an der allgemeinen Unruhe, daß etwas Großes im Gange sein mußte. Als der Tag der Rechtsprechung kam, waren alle Eingeborenen auf dem Gerichtsplatz am Rande des Dorfes versammelt. Eine etwa kniehohe Lehmmauer trennte den Richter und seine Berater sowie den Kläger und Angeklagten von den Zuhörern. Interessiert umlagerten alt und jung den Platz, denn Rechtsfälle werden vom ganzen Volk entschieden. Zu unserer Linken stand der Kläger und nicht weit von ihm entfernt der Angeklagte, der sich der Hexerei schuldig gemacht haben sollte. Eine aufregende Verhandlung begann. Mit unglaublicher Beredsamkeit brachte der Kläger seine Beschuldigungen vor. Der Angeklagte versuchte darauf in einem ebenso lauten wie langwierigen Palaver seine Unschuld zu beteuern. In der Art, wie der Häuptling als Richter sich immer wieder einschaltete, konnte man erkennen, daß er mit viel List die Wahrheit zu finden versuchte. Stundenlang ging es so hin und her, und die Verhandlungen schienen kein Ende zu nehmen. Auf einmal wurde es ruhiger. Der Richter beriet mit seinen Vertrauten. Dann trat, gespenstisch aufgeputzt, der Oganga, das war der Zauberer, vor Kläger und Angeklagten und reichte jedem einen Becher mit Gift. Es war nun ganz still geworden. Das Rotholz=Ordal, so nannte man die Giftprobe, sollte die Entscheidung über Recht oder Unrecht bringen. Nur zögernd nahmen die beiden den tödlichen Trank. Kaum hatte der Angeklagte das Gift hinuntergeschluckt, mußte er heftig erbrechen. Dem Kläger aber traten in Todesangst die Augen stier aus den Höhlen, er griff sich an den Hals und brach unter heftigen Zuckungen zusammen.

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Sofort begann ein Lärmen und Schreien, denn nach dem Glauben der Eingeborenen war damit der Beweis von Schuld und Unschuld erbracht. Eine andere grausame Probe ist auch das Öl =Ordal, wobei allein der Angeklagte seine Hand in einen Topf mit kochendem Öl stecken muß. Kann er dies ohne Schmerzempfinden aushalten, ist er unschuldig. Im anderen Falle gilt seine Schuld als bewiesen.

HEILIGE TIERE

So grausam und oft bestialisch wir die Kongoneger manchmal erlebt haben, so überraschten sie uns zuweilen durch eine ungewohnte Zärtlichkeit gegenüber Kindern oder Tieren, die heiliggesprochen waren. Der Häuptling der Lolo=Mongo führte uns auch zu Marba, einem heiligen Krokodil. Es war ein uraltes Tier, das man inbrünstig als heilig verehrte und dem wiederholt Opfer, sogar Menschenopfer, gebracht wurden. In den verschiedenen Teilen Afrikas findet man diese Tierkulte. So gibt es heilige Schlangen, heilige Flußpferde, auch heilige Ochsen, die besonders geschmückt und nur zu religiösen Festen geschlachtet werden.

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WIR SUCHEN EIN OKAPI

Wir befanden uns nördlich des Eduardsees im Urwald von Ituri. Wir wollten natürlich versuchen, eines jener seltenen Tiere zu entdecken, die nur wenige Menschen bisher in der Freiheit zu Gesicht bekommen haben.

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Heiliger Ochse

Diesen festlich und buntfarbig geschmückten Ochsen sahen wir auf einem der religiösen Feste der Kongoneger Er bedeutet für die Eingeborenen ein verehrungswürdiges Heiligtum. Solche althergebrachten Bräuche der Neger sind der Ausdruck eines Ahnenkults, der sich im Laufe von Generationen in der Abgeschlossenheit der afrikanischen Wildnis im Kampf gegen die Naturgewalten entwickelt hat. Die Missionare versuchen die Eingeborenen von diesem heidnischen Kult zu befreien und sie zum Christentum zu bekehren.

Album 069 Platz
Heilige Tiere

So grausam und oft bestialisch wir die Kongoneger manchmal erlebt haben, so überraschten sie uns zuweilen durch eine ungewohnte Zärtlichkeit gegenüber Kindern oder Tieren, die heiliggesprochen waren. Der Häuptling der Lolo=Mongo führte uns auch zu Marba, einem heiligen Krokodil. Es war ein uraltes Tier, das man inbrünstig als heilig verehrte und dem wiederholt Opfer, sogar Menschenopfer, gebracht wurden. In den verschiedenen Teilen Afrikas findet man diese Tierkulte. So gibt es heilige Schlangen, heilige Flußpferde, auch heilige Ochsen, die besonders geschmückt und nur zu religiösen Festen geschlachtet werden.

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Okapi

Ihr habt doch sicher schon viele afrikanische Tiere gesehen? Hier solltet ihr etwas genauer hinschauen. Das ist ein Okapi, eine Giraffenart, die im dichtesten, sumpfigen Urwald lebt. Nur wenige Menschen haben bisher dieses Tier in freier Wildbahn gesehen. Im Londoner Zoo lebt das einzige gefangene Okapi der Welt.

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Okapi

Dies Säugetier wurde erst im ]ahre 1901 im Kongostaat entdeckt. Stanley brachte die Kunde davon. Es handelt sich um eine Giraffenart. Lebend befindet sich zur Zeit nur ein Okapi im Londoner Zoo. Im dichtesten, sumpfigen Urwald lebt es und kann aus diesem Grunde nur schwer beobachtet und gefangen werden. Die Pygmäen nennen es "0-a~pi".

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Dieses Tier stellt eine kuriose Mischung von Zebra, Antilope und Giraffe dar. Im Jahre 1901 wurde es erstmalig den Zoologen bekannt. In kühnen Fahrten versuchten seither Forscher unter Einsatz ihres Lebens dieses Tier tot oder lebend zu fangen. Doch das Okapi weiß sich immer wieder geschickt seinen Verfolgern zu entziehen. Im dichtesten und tiefsten Urwald, wo kaum ein anderes Lebewesen hinkommt, verbirgt es sich. Der Londoner Zoo beherbergt zur Zeit als einziger Tiergarten der Welt ein lebendes Okapi. Ihr werdet daher verstehen, daß es uns besonders reizvoll erschien, hier im Heimatgebiet des Okapi nach ihm zu suchen. Unser Weg führte uns durch die märchenhafte Schönheit des Ituri= Urwaldes. Wir fanden leuchtende Blüten in bizarren Formen und winzige, kleine, buntschillernde Urwaldvögel, wie wir sie bisher noch nie gesehen hatten. Es schien, als wollte uns der Ituri-Wald all seinen Reichtum zeigen. Nur das, wonach wir so eifrig suchten, das fanden wir leider nicht.

FISCHFANG IN REISSENDEN STROMSCHNELLEN

Auf unseren Streifzügen kamen wir oft an wildschäumenden Flüssen vorbei, in deren reißenden Stromschnellen sich die afrikanischen Fischer als wahre Artisten zeigten. Wir konnten beobachten, wie sie in langen schmalen Booten, die oft acht bis zehn Mann faßten, mit unglaublicher Geschicklichkeit in die gurgelnden Strudel der Stromschnellen stießen. Dort waren lange große Stangen, mit Tauwerk und Lianen verbunden, festgemacht. Die sehnigen Gestalten kletterten dann schnell an den Stangen hoch, hangelten sich an den Lianen weiter und leerten die zum Fang aufgestellten Reusen. Oft kamen dabei prächtige mannsgroße Fische zutage, und es war uns unerklärlich, wie sie mit diesen Lasten die gefährliche Kletterpartie noch einmal bewältigen konnten und wieder sicher ihre Boote erreichten. Doch nicht immer ging das Fischen glatt ab, und die reißenden Stromschnellen holten sich von Zeit zu Zeit ihre Opfer.

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GEFÄHRLICHE ZWERGE-PYGMÄEN

Der Verkehr mit den Schwarzen des Kongo war außerordentlich schwierig. Aber nach den Erfahrungen bei den Lolo=Mongo verstand es Mr. Brand sehr schnell, sich auf die Eigenarten dieser Stämme einzustellen. Wir wollten auf jeden Fall die Pygmäen, den Inbegriff der Zwergenvölker, kennenlernen. Das war keineswegs sehr leicht, aber durch Vermittlung des Lolo=Mongo=Häuptlings konnten wir mit den Wambuti in Verbindung treten. Ein Bote, der uns zugleich als Dolmetscher diente, führte uns an einen verabredeten Punkt. Die Mittagssonne lastete über dem Busch. Da drang aus dem Wald ein eigenartig eintöniger Gesang, der von schrillen Frauenstimmen übertönt wurde und plötzlich abbrach. Gleich darauf schimmerten durch die Zweige funkelnde Speere, und kleine, nur mit Lendenschurzen bekleidete Gestalten standen uns gegenüber. Die Männer hielten Speere in den Händen, und die Frauen führten ihre Kinder mit sich.

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Eingeborene beim Fischfang im Kongo

Der Fischfang im Kongo lohnt sich wirklich. In den großen, runden, geflochtenen Fischreusen zappelten große und kleine Fische, ihre blinkenden Leiber glänzten in der Sonne wie Perlmutt. Die Frauen der Kongoneger verstanden es, auf geschickte Art in den Stromschnellen Fische für ein reiches Mahl zu fangen. Auch für uns stellte der große Fischsegen des Kongo eine Bereicherung unseres sonst so einfachen Speisezettels dar.

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Eingeborene beim Fischfang im Kongo

Fischreusen sind korbartige Fanggeräte. In Afrika werden sie von den Negern, vor allem in Flüssen mit starkem Wassergefälle, gebraucht.

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Gorillajagd im Urwald

Ich weiß nicht, was mehr dröhnte, die kampfeslustigen Schläge des wütenden Gorillas auf seine Brust oder mein wildschlagendes Herz. Es gehört viel Mut dazu, tapfer zu bleiben, wenn plötzlich ein solch gewaltiger Urwaldriese vor einem steht.

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Gorillajagd im Urwald

Der Gorilla ist ein Menschenaffe. Seine Heimat erstreckt sich vom Gebiet des Niger durch das Kongobecken bis an den Tanganyikasee. Er liebt den düsteren Urwald als Aufenthalt, ist Pflanzenfresser, vor allem frißt er Pisang (das ist die Bananenstaude) und Zuckerrohr.

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Wir begrüßten die Zwerge und fragten, wer ihr Häuptling sei. Die Verhandlung mit diesem verlief günstiger, als wir erwartet hatten. Wir verteilten Tabak an die Männer und Salz und Palmöl an die Frauen und Kinder. Das hättet ihr einmal sehen sollen, wie diese das pure Salz mit Öl aus muldenförmig gebogenen Blättern schlürften und schleckten. Wenn wir bei Torte und Schlagsahne sitzen, kann es uns sicher nicht besser schmecken. In Ruhe konnte ich einen nach dem anderen betrachten. Die Pygmäen sind keine reinen Neger, sondern fahlgelbe Zwerge mit dunklem krausen Haar. Der ganze Körper ist dicht behaart, und mit ihren großen Bärten, kulpigen Nasen und weit offenen Augen wirken sie wie Gnomen. So klein aber diese Zwergenvölker sind, so gefährlich können sie ihren Feinden und wilden Tieren werden. Flink und behende durchstreifen sie Busch und Wald, und ihre vergifteten Pfeile und Speere treffen mit erstaunlicher Sicherheit. Wir hatten bald Gelegenheit, ihre Geschicklichkeit bei der Jagd auf einen Gorilla zu beobachten.

MIT DEN PYGMÄEN AUF GORILLAJAGD

Wir hatten mit den Wambuti bald gute Freundschaft geschlossen. Als uns eines Tages der Häuptling mitteilte, daß wir gemeinsam mit ihnen auf Gorillajagd gehen könnten, war die Freude groß. Brand nahm darauf vergnügt einen ordentlichen Schluck aus seiner "Hausapotheke", zündete sich eine Zigarette an und ordnete alles für den nächsten Tag. Auch ich bereitete mich für die Jagd vor. Am nächsten Morgen versammelte sich die Jagdgesellschaft.

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Nur ausgesuchte erfahrene Jäger waren gekommen, denn es galt einen Riesengorilla, einen griesgrämigen Einzelgänger, zu erlegen. Obwohl die Wambuti genau den Äsungsplatz wußten, dauerte es doch lange, bis wir diesen erreicht hatten. Es war nicht leicht, durch das Gewirr von Lianen, Schling» pflanzen und Schmarotzern einen Weg zu bahnen. Dann mußten wir warten, stundenlang warten.

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Die stickige Urwaldschwüle legte sich beklemmend auf Herz und Lunge. Ich schwitzte wie toll und war dabei von einem Jagdfieber erfaßt wie kaum zuvor. Einige Wambuti versuchten nun den Gorilla aufzuscheuchen. Fast unvermittelt kam der riesige Koloß, auf allen vieren springend, in die Lichtung. Plötzlich hielt er an, richtete sich zu seiner ganzen imposanten Größe auf und suchte seine Feinde zu entdecken. Mir schlug vor Erregung das Herz bis zum Halse, als ich diesem häßlichen, aschgrauen Urwaldungeheuer in die tückisch funkelnden bösen Augen sehen konnte. Ein wütendes, scharfes, rauhes Bellen kam aus seinem weit aufgerissenen Rachen. Während das Ungetüm seine großen gelben Zähne fletschte, trommelte es sinnlos vor Wut mit den starken Fäusten auf seinen gewaltigen Brustkorb, daß es dröhnte. Im Nu waren die Wambuti auf die Lichtung getreten, und aus kurzer Entfernung schossen sie von allen Seiten ihre scharfen vergifteten Pfeile nach dem zornbebenden Riesen. Auch Mr. Brand richtete sich auf und gab dem Tier den Fangschuß. Der Riesengorilla war tot - von Zwergen erlegt.

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Pygmäen im Kongogebiet

Salz und Tabak stimmten den Pygmäenhäuptling für uns freundlich. Tabak, ja, das war ein willkommenes Geschenk für ihn und seine Männer. Die Frauen verteilten unter steh und an die Kinder das Salz. Es wurde auf muldenförmigen Blättern mit ölvermischt, angerichtet. Sie ließen sich das Salz herrlich schmecken. Es war für sie ein Hochgenuß.

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Pygmäen im Kongogebiet

Pygmäen nennt man die Zwergrassen der Menschheit. Zentralafrika verzeichnet verschiedene Stämme, u. a. die Wambuti. Sie jagen das Wild mit Pfeilen. Die Größe dieser Menschen beträgt durchschnittlich 120-135 cm.

Wildreservat am Eduardsee

Der Eduardsee liegt in Ostafrika, er ist etwa 3500 qkm groß und liegt 014 m über dem Meeresspiegel. Sein Abfluß erfolgt durch den Semliki in den Albertsee.

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Wildrreservat am Eduardsee

In der unendlichen Weite des Raumes suchen sich die Tiere der Wildnis ihre Futterplätze. Hier ist es ein Rüde! Zebras. Ihre Schnelligkeit und ihr gestreiftes Fell sind ihnen ein Geschenk der Natur, das ihnen hilft, ihren Feinden auszuweichen oder sich zu verbergen. Mit gespitzten Ohren fangen sie alle Geräusche auf, aufmerksam beobachten sie die Gegend und verschwinden blitzschnell bei Herannahen der Gefahr. Am herrlichen Eduardsee haben jedoch olle Tiere der Wildnis einen Platz, an dem sie vor dem Jagdeifer der Menschen geschützt sind.

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BEI DEN BENIA- BONGO

Das Kongogebiet war dicht mit Pygmäenstämmen besiedelt. Trotz ihrer Zwergenverwandtschaft zeigten sie verschiedene Merkmale, Sitten und Gebräuche, welche durch Völker- und Stammesvermischungen im Laufe der Jahrhunderte entstanden sein mögen. Die Pygmäen sind Wildbeuter, das heißt Jäger. Wer das Glück hat, sie bei der Jagd zu beobachten, oder sogar mit ihnen zu jagen, wird eindrucksvolle Erlebnisse haben. Als wir auf die Benia=Bongo stießen, unterschied sich der Empfang bei diesen nicht viel von dem bei anderen Stämmen. Wie gewohnt, trafen wir erst auf Ablehnung, dann folgte die Geschenkübergabe, und nachher war das Verhältnis derart, daß wir ihr Leben und Treiben beobachten und auch daran teilnehmen konnten. So kam es, daß wir auch einmal bei einer der üblichen Besprechungen der Dorfältesten zugegen sein durften. Bei diesen Zusammenkünften werden ähnlich wie bei unseren Gemeindesitzungen oder Parlamenten die Fragen des Tages besprochen.

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Wir saßen inmitten der Männer, die durch ihr Alter und ihre Erfahrungen besonders geachtet waren, und deren Stimme Gewicht besaß. Sie verfügten über eine erstaunliche Redegewandtheit. Bei dem stundenlangen Palaver schlürften sie mit langen Röhren Mimbo, das ist Palmwein. Mr. Brand, der sich schon vorher dem Studium der afrikanischen Sprachen gewidmet hatte, konnte den Verhandlungen recht gut folgen. Mir aber blieben die vielen Sprachen und Dialekte Afrikas ein Wirrsal von unverständlichen Lauten. Um so interessanter war es für mich, den Sinn der endlosen Debatten aus dem Tonfall und dem Gebärdenspiel zu erraten. Die Eingeborenen haben eine sehr klangreiche Sprache, und ihr ausdrucksvolles Mienenspiel wird durch temperamentvolle Bewegungen der Arme und Beine unterstrichen. Bei einiger Aufmerksamkeit ist eine Deutung absolut möglich. Solche kleinen Beobachtungen am Rande der Geschehnisse hatte mir schon immer Spaß gemacht.

CHUI-DER LEOPARD

Besonders fiel mir das Wort "Chui" auf, das immer wieder ge« nannt wurde und starkes Interesse bei allen Beteiligten hervorrief. In diesem Falle kam ich allerdings nicht so schnell dahinter, und erst Mr. Brand erklärte mir, daß mit "Chui" ein Leopard gemeint war, der in letzter Zeit durch dreiste Überfälle das Dorf beunruhigt hatte. Im Rat der Alten wurde daher der Beschluß gefaßt, den Burschen zu erlegen.

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Ich war sofort Feuer und Flamme, als ich hörte, daß wir zu dieser Jagd eingeladen waren. Der Chui, den es zu erlegen galt, schien ein besonders freches Exemplar seiner Gattung zu sein. Die Eingeborenen berichteten, daß er wiederholt aufgetaucht war, seine Opfer schlug und damit so schnell das Weite suchte, daß es oft wie ein Spuk wirkte. Am nächsten Morgen zogen wir mit unseren flinken naturhaften Jägern los. Viele Jagden hatte ich schon während meiner Afrikareise erlebt, aber bei keiner war wohl das Ausmachen und Anpirschen so schwierig wie hier.

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Leopard auf der Lauer vor einer Menschensiedlung

Wieder mal Glück gehabt! Ein Leopard hat sich heute nacht unseren Lagerhund geholt. Wie leicht hätte ich sein Opfer sein können! Die Sache war so: Ich wache nachts von heftigen Kopfschmerzen auf. Will natürlich gleich ein paar Tabletten dagegen schlucken. Also schleiche ich mich zum Vorratszelt. - Während ich nach den Tabletten suche, plötzlich ein Aufschrei. Erschrocken eile ich zu meinem Zelt zurück. Dabei fällt mir auf: Der Lagerhund vor Onkel Johns Zelt ist weg! Am Morgen klärt sich alles auf. Die Leopardenspuren verraten den Räuber.

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Leopard auf der Lauer vor einer Menschen-Siedlung

Der Leopard ist eine Katzenart, die bis zu 2,45 m lang wird. Das Fell ist gelb, braun oder grau, mit sehr vielen Flecken, Es gibt auch vollkommen schwarze Leoparden. Er ist in Afrika verbreitet, lebt aber auch in Asien. Der Leopard ist ein sehr gefährliches Raubtier und ein ausgezeichneter Kletterer.

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Der Leopard ist überall und nirgends. Stunden und aber Stunden hatten wir bisher vergeblich den Wald durchstreift, und auch den scharfen Augen unserer Begleiter war es nicht gelungen, auch nur eine einzige Spur von dem gesuchten Tier zu finden. Stundenlanges vergebliches Umherstreifen in der feuchten, stickigen Luft der Regenwälder trägt bestimmt nicht zu guter Stimmung bei. Mr. Brand und ich waren daher einigermaßen mißmutig und bereiteten uns im stillen auf eine ergebnislose Jagd vor. Am frühen Nachmittag hörten wir aus der Ferne das wilde auf» geregte Orgeln einer Affenherde. Wir sahen darin keineswegs etwas Besonderes. Die kleinen Jäger aber waren sofort hellwach und zogen in die Richtung, aus der das Gekreisch kam. Beim Näherkommen wurde der Lärm immer heftiger, und es hörte sich an, als wenn die Tiere zornig schimpften und schrien. Der ganze Wald war in voller Aufregung, alles krächzte und zeterte, quietschte und piepste wild durcheinander. Die Affen sprangen aufgeregt in den Bäumen herum und schienen etwas zu verfolgen. Einige alte männliche Paviane tobten auf einem Affenbrotbaum herum mit allen Zeichen der Wut. Böse blickten sie in das Dickicht und ließen tiefe grollende Laute hören.

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Hier mußte etwas Besonderes los sein. Wir hatten uns herangeschlichen. Richtig! Da sahen wir auf einmal den Leoparden vor uns. Die Färbung seines Felles machte ihn fast unsichtbar. Chui hatte einen Pavian getötet und mitgeschleift. Über das wütende Lärmen der verfolgenden Affen schüttelte er nur unwillig den Kopf, so daß das tote Tier in seinem Rachen wie ein blutiger Fetzen hin und her geschleudert wurde. Aus unserem Versteck heraus konnten wir beobachten, wie er die Eingeweide aus dem blutigen Körper der Beute riß, gierig Herz und Leber fraß und die Reste des geschlagenen Tieres mit einem eleganten Sprung ins Astwerk der Bäume schleppte und dort verbarg. Die Mordlust des Leoparden hatte mich so ergrimmt, daß ich fast im Unterbewußtsein mein Gewehr anlegte und schoß. Das Peitschen des Schusses zerriß das Lärmen der Urwaldtragödie mit einem Schlag. Als mir darauf ein wütender, fauchender, katzenartiger Schrei anzeigte, daß der Räuber nur angeschweißt sein konnte, war ich zu Tode erschrocken. Wenn es auch vorkommt, daß Leoparden vor den Menschen flüchtig werden, so zählen sie angeschossen doch zu den gefährlichsten Gegnern. Da sprang auch schon das blutgezeichnete Raubtier aus der luftigen schattigen Höhe der Baumkrone auf die Erde. Einen Moment verhielt es und versuchte, das am rechten Hinterlauf herabrieselnde Blut abzulecken. Doch dann erklang wieder der gereizte, knurrende Ton dieser räuberischen Katze, die langsam auf mein Versteck zukam. Ich sah die mordgierig funkelnden Augen und das kräftige Raubtiergebiß des sich geschmeidig wiegenden Leoparden immer näher kommen. Ich war wie gelähmt. Keinen Finger konnte ich rühren. Ich wollte vor Angst laut schreien, doch wie ein Kloß saß es mir in der Kehle, und das Blut in den Schläfen hämmerte, als wenn es mir den Kopf zersprengen wollte.

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In höchster Todesangst liefen mir in Sekundenschnelle die Erinnerungen wie ein Filmband vor den Augen ab: ich sah die Eltern, die Heimat, die "Oldenburg", die Erlebnisse mit der Filmexpedition und Brand. Ich glaube, mir wollten gerade die Sinne entschwinden, als ich die raubgierige Bestie wie vom Schlage getroffen zusammenzucken sah. Mit einem Hagel von vergifteten Pfeilen hatten unsere Begleiter gerade noch rechtzeitig das Tier überschüttet. Und noch ehe das Gift seine Wirkung getan hatte, trat ein besonders mutiger Benia- Bongo=Jäger aus dem Busch und warf einen blitzenden Speer mit so großer Wucht auf das Tier, daß es wie an den Boden geheftet schien, und der Schaft des Speeres zitterte. Das war Rettung in höchster Not. Diese kleinen, oft so gefährlichen Zwergmenschen hatten mir das Leben gerettet. Es dauerte einige Zeit, bis ich von dem Druck dieses Erlebnisses befreit war. Als die tüchtigen Jäger die Beute aufgenommen hatten und wir zum Kral zurückgingen, erklang wieder das Kreischen der Affen. Jetzt aber hörte es sich wie ein kicherndes Hohngelächter an. Noch lange saß ich an diesem Abend mit Mr. Brand in unserem Wagen. Immer wieder sprachen wir über das jüngste Erlebnis. Es wurde uns dabei so recht deutlich, wie sehr uns der dunkle Erdteil schon zu wirklichen Freunden zusammengeschweißt hatte. Mit einigen guten Tropfen aus Brands "Hausapotheke" besiegelten wir erneut unsere Freundschaft, und Brand bot mir an, ihn in Zukunft nur noch Bill zu nennen.

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Benia-Bongo-Neger

ich schwebte in größter Gefahr, denn der wundgeschossene Leopard wollte sich gerade auf mich stürzen, als die Benia-Bongo kamen und mit ihren giftigen Pfeilen und Speeren das von mir angeschossene Tier töteten. Tapfere Kerle waren diese Zwerge - sie erlegten die fauchende Bestie aus allernächster Nähe. Der "Chui", so nannten ihn die Eingeborenen, ist eines der gefährlichsten Raubtiere. Verschlagen und hinterlistig springt er seine Beute von hohen Bäumen herunter an. Das Fell des Tieres schenkte uns der Häuptling, denn wir waren inzwischen gute Freunde geworden, und er wollte uns mit diesem Geschenk eine Freude bereiten.

Album 076 Platz
Benia=Bongo=Neger

Stichwörter: Mittelafrika, Zentralafrika, Reiseberichte, Kongo, Angola, Gabun

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BEIM WEISSEN OGANGA IN LAMBARENE

Unsere Fahrt durch das Kongogebiet war reich an Erlebnissen und Abenteuern. Viele Geheimnisse hatten sich uns offenbart, und vieles war uns verschlossen und rätselhaft geblieben. Was war an dem Geheimnis Kongo so überwältigend und betörend zugleich? War es die verschwenderische Fülle und der Reichtum, mit dem die Natur dieses fruchtbare Gebiet des Regenwaldes überschüttete? Waren es die Zwergenmenschen, die dieses Land bevölkerten, und die so hart und grausam und doch stark und gut sein konnten? Oder waren es die Ströme, die sich überreich in den Kongo ergossen und im wilden strudelnden Lauf über unzählige Stromschnellen und Wasserfälle dem Atlantischen Ozean zustrebten? Ich kann heute nur sagen, daß es alle diese Kräfte waren, die zusammenwirkend das Geheimnis Kongo bildeten. Für uns wurde dieses Gebiet zum rätselhaften Herzen Afrikas. Von Leopoldville steuerten wir mit unserem Jeep, der uns bisher, ohne zu versagen, von Erlebnis zu Erlebnis geführt hatte, Lambarene zu.

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Die Luft war sehr heiß und feucht wie im Treibhaus und machte uns das Atmen schwer. Der Weg führte durch dichtes Urwaldgebiet, vorbei an Palmbäumen, grünen Laubhölzern und großen Papyrusstauden mit fächerartigen Blättern. Dann waren wir in Lambarene, jener kleinen unbedeutenden Urwaldsiedlung, die durch das heroische Wirken Professor Albert Schweitzers weltberühmt geworden ist. Als wir den großen Helfer der Schwarzen nicht persönlich antrafen, waren wir sehr enttäuscht. Aber die Siedlung, die er geschaffen hatte, konnten wir besichtigen, und mit den Menschen, die ihm zur Seite standen, und den Kranken, die er heilte, konnten wir sprechen. Freundlich schaute sein schlichtes Wohnhaus von einer kleinen Anhöhe über Urwald und Ogoweniederung. Das Haus war ganz aus Holz gebaut und zum Schutz gegen Schlangen und andere unerbetene Gäste auf eisernen Pfählen errichtet worden.

Bild 077 Rückseite

Stromschnellen im Kongo zwischen Boma und Leopoldville

"Hier möchte ich nicht mit meinem Boot herunterrutschen!", meinte Bill. "Da komrnt keiner wieder lebend 'raus!" Und wirklich - das waren Stromschnellen und Wasserfälle von seltener Schönheit! Ein Getöse und Gedonner, feiner Regen, in den schönsten Farben schillernd, umgab uns. Auch Bill, der in seiner Heimat Amerika schon die Niagarra-Fälle gesehen hatte, war tief beeindruckt.

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Stromschnellen im Kongo zwischen Borna und Leopoldville

Borna ist eine wichtige Handelsstadt in Belgisch= Kongo. Sie liegt am Kongo und ist Sitz des Gouverneurs. Zwischen Borna und Leopoldville befinden sich die größten Kongo-Stromsclnellen.

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Negerdorf in Kamerun

Heiß brennt die Sonne in Afrika. Sengend liegen die Sonnenstrahlen auf den Dächern der Eingeborenensiedtungen. Primitiv sind die Mittel, die ihnen zur Verfügung stehen, aber erstaunlich ist es, wie geschickt sie von den Negern genutzt werden. In dörflicher Gemeinschaft vollzieht sich das Leben der Bewohner.

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Negerdorf in Kamerun

Kamerun, die frühere deutsche Kolonie, ist fast eineinhalbmal so groß wie das Vorkriegsdeutschland. Es hat 3 Millionen Einwohner. Die höchste Erhebung ist der Kamerunberg, ein erloschener Vulkan (4070 m). Seine Lavamassen bedecken eine Fläche, die der Größe des Harzes entspricht, an diesem Berg finden wir alle Abstufungen des Klimas, vom Tropenklima an seinem Fuße bis zum kühlen Hochgebirgsklima des Gipfels. Im Süden wohnen Bantuneger, im Norden mohammedanische Sudanneger, handeltreibende Haussa und hamitische Fulbe in Rundhütten mit Kegeldach. Das Schutzgebiet wurde 1884 durch den hervorragenden deutschen Afrikaforscher Nachtigal gegründet, der in der Stadt Tuala begraben liegt.

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Nicht weit davon gruppierten sich die Hospitalgebäude, die eigentlichen Wirkungsstätten dieses hervorragenden Arztes. Erst als mich Bill genau und eingehend vom Lebenswerk Professor Albert Schweitzers unterrichtet hatte, konnte ich die Bedeutung unseres Besuches in Lambarene richtig ermessen.

PROFESSOR ALBERT SCHWEITZER, SEIN WIRKEN UND SCHAFFEN

Professor Albert Schweitzer ist nicht nur ein großer Deutscher, sondern für alle Welt der Inbegriff eines wahren Menschenfreundes. Nachdem er von dem Elend und der Not der kranken Schwarzen in Afrika gelesen und gehört hatte, gab er noch als Dreißigjähriger seinen sicheren Lehrstuhl als hervorragender Theologe in Straßburg auf und studierte Medizin. Er wollte Arzt werden, um nicht nur die Religion der Liebe zu lehren, sondern um auch als Arzt tätige Hilfe geben zu können. Nach sechs anstrengenden arbeitsreichen Jahren hatte er das medizinische Staatsexamen geschafft. 1913 reiste er mit seiner Frau nach Lambarene. Hier gründete er in einzigartiger, beispielgebender Selbstaufopferung ganz allein und ohne irgendeine staatliche Hilfe inmitten dichten afrikanischen Urwaldes ein Hospital. Die Größe seines Entschlusses kann nur der ermessen, der einmal hier war und in dieser dumpfen, stickigen Treibhausluft leben mußte. Das Klima ist für Weiße so ungünstig, daß sie unmöglich länger als zwei, höchstens drei Jahre hier leben können.

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Dann sind sie wegen Ermüdung und Blutarmut zu richtiger Arbeit unfähig und müssen längere Zeit zur Erholung nach Europa. Von einem Hospital in unserem Sinne konnte natürlich am Anfang keine Rede sein. Untersucht und behandelt wurde zuerst im Freien vor dem Wohnhaus. Als das nicht mehr ging, benutzte Schweitzer einen leerstehenden Hühnerstall, den er notdürftig mit Kalklösung anstrich. Schon in den ersten Wochen kamen viele Leidende und Kranke, und Schweitzer mußte umfassende medizinische Kenntnisse haben, um bei all den Krankheiten helfen zu können. In der Hauptsache handelte es sich um Schlafkrankheit, Ruhr, Malaria, Lepra, eiternde Geschwüre, Herzkrankheiten und Elefantiasis, eine Krankheit, bei der die Gliedmaßen unförmig entstellt werden. Die primitiven Eingeborenen, die oft noch Menschenfresser sind, halten Dr. Schweitzer für einen großen Oganga, einen weißen Zauberer. Die Narkose vor den Operationen beeindruckt sie besonders, und sie suchen sich selbst eine Erklärung dafür zu geben. Sie sagen: "Der Oganga tötet zuerst die Kranken, dann heilt er sie, und nachher macht er sie wieder lebendig."

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Bald reichte der Betrieb im Hühnerstall=Hospital nicht aus, und Albert Schweitzer mußte unter erheblichen Schwierigkeiten eine größere Spitalbaracke bauen. Diese umfaßt dann einen Operationsraum, ein Untersuchungszimmer und andere kleine Räume, die als Apotheke und ähnliches verwendet werden. Das Vertrauen der Schwarzen zu ihrem Doktor ist so groß, daß oft ein richtiger Streit ausbricht, weil jeder zuerst operiert werden möchte. Als ein tüchtiger Helfer erwies sich sein Heilgehilfe Josef. Dieser konnte zwar weder lesen noch schreiben, aber er sprach ein gut verständliches Englisch und Französisch und acht verschiedene Eingeborenendialekte. Obgleich er die einzelnen Buchstaben nicht kannte, verwechselte er doch nie eine Arznei, die er aus dem Apothekenschrank holen sollte, denn er behielt immer das Wortbild der Beschriftung genau im Gedächtnis. Professor Albert Schweitzer muß leider immer wieder entsetzt feststellen, daß die Menschenfresserei und die Sklavenhaltung trotz schwerster Strafen noch nicht ausgerottet sind. Eines Tages brachte man ihm einen kleinen Jungen, der sich ängstlich wehrte und nur mit Gewalt ins Behandlungszimmer gebracht werden konnte. Es kostete den Doktor viel Mühe, das Kind zu beruhigen. Dann erfuhr Albert Schweitzer, daß der Kleine fürchtete, im Spital geschlachtet und aufgefressen zu werden, wie er es von zu Haus kannte.

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Professor Dr. Albert Schweitzer in seinem Hospital in Lambarene

Albert Schweitzer, für alle Welt der Inbegriff eines wahren Menschenfreundes, lebt zurückgezogen in Lambarene am Ogowe. In seiner einmalig menschlichen Größe bringt er als Arzt und Christ den einfachen Schwarzen Afrikas Trost und Heilung. Wir sind stolz auf Prof. Dr. Albert Schweitzer - unseren großen Landsmann.

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Bei Professor Dr. Albert Schweitzer in Lambarene am Ogowe

Professor Dr. Albert Schweitzer wurde 1875 zu Kayserberg im Elsaß geboren. Er studierte Theologie und machte umfassende Musikstudien - als Orgelkenner hat er einen besonderen Ruf -, dann wandte er sich dem Arztberufe zu. Diese verschiedenartigen Studien und Tätigkeiten finden in der Persönlichkeit des Menschenfreundes Schweitzer ihren sinnvollen Zusammenhang: die tätige Hilfe als Arzt in Afrika wurzelt im Glauben.