Aus dem Sanella-Album China Tibet Japan

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Seite 07

Tom freut sich auf Hongkong. Das soll nun die erste von vielen chinesischen Städten sein, die er kennenlernen wird. Chinesen gab es zu Hunderttausenden auch schon in Singapore, der englischen Kronkolonie an der Südspitze der malayischen Halbinsel. Dort hat Tom auch schon rein chinesische Straßen, chinesische Geschäfte und Restaurants, chinesische Theater und Tempel gesehen. Er erzählt Wang, daß Hein ihn in Singapore sogar vor eine chinesische Opiumhöhle geführt hat. Aber hineinzugehen hätten sie sich nicht getraut. Sie hätten an dem süßlichen Duft, der aus der perlenverhangenen Tür drang, bereits genug gehabt. "Auch Hongkong ist noch kein richtiges China", sagt Wang. "Es ist wie Singapore eine englische Kronkolonie. Dort drüben am Ufer unter den Palmen siehst du das Denkmal der englischen Königin Victoria. Nach ihr ist die vor uns liegende Inselstadt benannt. Morgen werde ich dir den Palast des britischen Gouverneurs zeigen, der in Hongkong über zwei Millionen Chinesen gebietet." Am Ufer warten Dutzende von Rikschas auf sie. Wang bringt mit wenigen, ganz leise gesprochenen chinesischen Worten das Geschrei der Rikschakulis zum Verstummen. Zwei fahren zum Einsteigen vor. Bis zum chinesischen YMCA (Vereinshaus christlicher junger Männer), wo Wang ein Doppelzimmer bestellt hat, ist nur ein kurzer Weg. In sausendem Galopp geht es um eine Ecke, an der unter einem Sonnenschirm ein baumlanger indischer Verkehrspolizist mit langem Bart steht. Die Rikschakulis machen einen respektvollen Bogen um ihn herum. Mit Wangs Hilfe füllt Tom in der riesigen Empfangshalle des YMCA sein Anmeldeformular aus. Der Empfangschef prüft, ob die Angaben über Geburtstag, Geburtsort, Paß= und Visanummer mit ihren Reisepässen übereinstimmen. Dann fährt ein kleiner, uniformierter chinesischer Liftboy sie im Fahrstuhl in den 7. Stock hinauf.

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Im Zimmer schaltet Wang sofort die elektrischen Ventilatoren ein und zieht seine Jacke aus. Vom Balkon des Zimmers sehen sie auf eine Straße hinab, die links zum Hafen hinunterführt und rechts - stark ansteigend - den Blick freigibt auf den Peak, den 600 Meter hohen Gipfel des Inselberges. Fast bis zum Gipfel empor ziehen sich die Villenviertel der Stadt. Tom möchte gleich aufbrechen, die Wunder dieser eigenartigen Stadt aus der Nähe anzusehen. Wang schlägt vor, bis zum Dunkelwerden die Queens Road, die Hauptgeschäftsstraße von Viktoria, hinunterzubummeln, dort den Tropenhelm zu kaufen und dann in ein chinesisches Theater oder Kino zu gehen. Morgen können sie mit der Drahtseilelektrischen auf den Peak fahren. "Wenn du eine Badehose mitgebracht hast, können wir auch am Strand der Repulsebucht baden. Das Vergnügen eines Freibades wirst du im übrigen China nur selten haben. Die meisten Gewässer im Innern sind durch Hakenwürmer und gesundheitsschädliche Abwässer verunreinigt und deshalb lebensgefährlich." Tom hat seine Badehose natürlich im Koffer. Er ist mit allen Vorschlägen Wangs einverstanden.

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Er hat schon erkannt, daß dieser frische und kluge Chinesenjunge ihm ein guter Führer und Freund sein wird. Tom bittet Wang, daß sie gleich aufbrechen möchten. Aber Wang läßt ihn noch einen Augenblick warten. Er kramt in seinem Koffer und verschwindet im Badezimmer. Nur einen Augenblick! Dann steht Wang Tschi=ping in chinesischer Kleidung vor Tom, in einem langen weißseidenen Gewand. "Unser Ischang ist viel bequemer und luftiger als euer Anzug. Außerdem hat er keine einzige Außentasche. Ich brauche nicht wie du fünf Taschen vor Taschendieben in acht zu nehmen ... Als Chinese im Ischang kann ich deinen Tropenhelm vielleicht auch zu einem billigeren Preis erstehen."

.Bummel und Einkauf in der Queens Road

Die beiden schieben sich durch das Gedränge der Queens Road. Solch ein Menschengewimmel in einer Geschäftsstraße hat Tom noch nirgendwo gesehen. Wie auf einem Jahrmarkt drängen sich die Menschen nicht nur auf den

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