Aus dem Sanella-Album China Tibet Japan

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Seite 10

Mit ihrem eigenen Dolch im Herzen klagt sie, daß es ihr nicht vergönnt war, den Tod des Kaisers an dem schuldigen General zu rächen. Tom hat die gesprochenen und gesungenen Worte nicht verstanden. Aber er hat alles so sehr miterlebt, daß er darüber das Essen ganz vergessen hat. Wang zeigt auf seine Armbanduhr. Nach zehn Uhr ist es schon. "Wir werden in der Snack=Bar des YMCA noch etwas zu essen bekommen!" - "O ja, Bratkartoffeln mit Garnelen, die habe ich auch einmal in Singapore in einer Snack=Bar gegessen . . ." Sie machen sich schnell auf den Heimweg. Die Straßen sind fast leer. Nur vor den englischen Klubs parken lange Autoreihen.

Chinesisches Frühstück mit Stäbchen gegessen

Am andern Morgen ist Tom früh wach. Der Lärm der Straße dringt bis in das Zimmer hinauf. Die Schlaghölzer der Straßenhändler erinnern Tom an die Geschichte von dem Tigergeneral. Er wundert sich, nicht davon geträumt zu haben. Die Jungen beschließen, chinesisch zu frühstücken. Jede chinesische Stadt hat ihre eigenen Gerichte, und jeder Chinese ißt am liebsten die Gerichte seiner Heimat.

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In jeder Großstadt gibt es Restaurants für alle Geschmäcker. Die Familie Wang stammt aus Kanton. Obwohl Wangs Vater schon zehn Jahre in Schanghai ansässig ist, ißt die Familie Wang immer noch nach kantonesischer Art. In Schanghai haben sie einen kantonesischen Koch, und wenn sie auf Reisen sind, gehen sie in ein kantonesisches Restaurant. So führt Wang seinen Freund nun auch in ein kantonesisches Restaurant neben dem YMCA. Der Boy legt jedem ein Paar Eßstäbchen und eine Speisekarte vor. "Versuche, ob du damit fertig wirst!" fordert Wang Tom auf. Die Speisekarte ist ein Büchlein mit 22 Seiten. Auf jeder Seite stehen zehn bis zwanzig Gerichte. "Das alles kannst du in einem kantonesischen Restaurant zu jeder Tageszeit haben!" Die Karte nennt die Namen der Gerichte in Englisch und Chinesisch und gibt für jedes Gericht eine Bestellnummer an. Die Preise sind erstaunlich niedrig. Reis wird allein in neun verschiedenen Zubereitungsarten angeboten, aber Milchreis ist nicht dabei! Eine Portion Reis, einfach gekocht, kostet 6 Cents (=5 Pf), gebratener Reis "ä la Canton" 30 Cents, Reis mit zerkleinertem Rind= oder Schweinefleisch 40 Cents, Reis mit gewürztem Hühnerfleisch 50 Cents. Wang rät, die Seite 7 der Karte aufzuschlagen und unter "Zeitsparenden Gerichten" (Time=Saving-Meals) eine Nummer zu wählen. ",Specially recommended' heißt ja wohl besonders empfohlen. .., ich nehme Nr. 150", sagt Tom. Wang wählt Nr. 146, gebratenen Reis mit Suppe. Das ist von frühester Kindheit an sein Lieblingsgericht gewesen. Dann übt Tom erst mal, wie man die Eßstäbchen handhabt. Wang macht es ihm vor.

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"Man muß die Stäbchen so zwischen Daumen, Zeige= und Mittelfinger der rechten Hand nehmen, daß sie eine Art Pinzette bilden. Die Hauptsache ist, daß die vorderen Enden der Stäbchen genau aufeinanderliegen. Am besten stellst du sie beim Ergreifen senkrecht auf den Tisch, dann wird es schon gehen." Tatsächlich, es geht! In wenigen Minuten sind die Gerichte serviert. Nicht auf Tellern, sondern in Schalen, die etwa so groß sind wie zwei hohle Männerhände. Außerdem stellt der Boy vor jeden eine Teetasse ohne Henkel, in der ein paar grüne Teeblätter liegen. Das Wasser dazu bringt ein besonderer Boy in einem dampfenden Wasserkessel. Der Tee kostet im Restaurant nur 10 Cents für jede Person, einerlei ob man eine Tasse trinkt oder zehn. Mit seiner Stäbchenpinzette führt Tom die Hühnerfleischstückchen seines Reisgerichtes tadellos von der Schale in den Mund. Allerdings verkürzt er den Weg, indem er sich tief über die Schale beugt. Aber soll er auch die einzelnen Reiskörnchen so mühsam zum Mund befördern? Wang lächelt. "Das geht viel einfacher! Sieh her!" Er hebt seine Schale mit Reissuppe an den Mund, saugt die Suppe ein und schiebt die Reiskörner mit dem Doppelstäbchen nach. Im Nu ist die Schale leer.

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