Aus dem Sanella-Album China Tibet Japan

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"Die sehen ja aus wie grüne Zuckerhüte!", sagt er, "gibt es in China wirklich solche Berge?" Onkel Wang lächelt. "Solange du das Tschektaigebirge nicht gesehen hast, wirst du es nicht glauben... Aber vielleicht läßt sich das möglich machen! Unsere Provinzregierung läßt an der Grenze gegen die Nachbarprovinz Kwangsi gerade Luftbildaufnahmen für eine neue Landkarte machen... Wollt ihr es euch einige Dollars kosten lassen, wenn eine Maschine euch auf einen Flug dahin mitnimmt?" Tom und Wang sind Feuer und Flamme für den Plan, auch Wang Tschi=ping hat den Tschektaischan noch nicht gesehen. "Ein Flug über den Tschektaischan! Das wäre eine Sache!" Vor Erregung können sie kaum einschlafen.

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Tom schreibt an Vater und Mutter über Kanton

Von ihrer Stadtrundfahrt am nächsten Tag kehren sie so zeitig zurück, daß Tom noch einen langen Brief schreiben kann, bevor der Onkel mit der sehnlichst erwarteten Nachricht heimkommt.. . Frau Wang erlaubt ihm, die Schreibmaschine zu benutzen, die im Schreibzimmer steht. So kann Tom einen Durchschlag an seinen Vater und einen an seine Mutter schicken. Leider hat die englische Schreibmaschine kein ä und ü und ö.... und nach unserer Befreiung hat Wangs Onkel in Kanton uns freundlich aufgenommen. Heute habe ich mit Wang Tschi=ping und einem seiner Vettern, Wang Hsi=ling, Kanton angesehen. Wir waren in der alten Chinesenstadt Saikwan, auf der Insel Schamin (dem frueheren Fremdenviertel) und in dem modernen Wohnviertel Tungschan. Im buddhistischen Walamtempel, der schon im Jahre 518 n. Chr. gegruendet wurde, sitzen 500 ueberlebensgroße vergoldete Nachbildungen von Schuelern des großen Buddha. Unter ihnen ist auch Marco Polo, der erste Europaeer, der nach China kam.

 

Dieser Reisende aus Venedig war von 1275 bis 1292 am Hofe des Mongolenherrschers Kublai Khan, der damals ueber China regierte. Man kann Marco Polo leicht herausfinden aus den 500 Buddhaschuelern. Alle andern haben Schlitzaugen und bartlose Gesichter. Er hat als einziger runde Augen und einen Bart. Ich habe ein Photo von ihm gemacht. Hoffentlich ist es gelungen, in der Halle war es ziemlich dunkel. In der alten Chinesenstadt hat die Geschicklichkeit chinesischer Handwerker großen Eindruck auf mich gemacht. Sie arbeiten in Laeden, die nach der Straße ganz offen sind. Ich haette den Schirm= und Faechermachern, den Holz= und Elfenbeinschnitzern, den Silber= und Goldschmieden stundenlang zusehen koennen! Unerklaerlich ist es mir, warum Handwerker des gleichen Gewerbes oft straßenweise zusammenwohnen. In einer Straße Haus an Haus nur Elfenbeinschnitzer, in einer anderen nur Faechermacher oder nur Silberschmiede. Ob sie gar keine Furcht vor gegenseitiger Konkurrenz haben? Bei uns wuerden sie moeglichst weit auseinander ziehen. Die kleine kuenstlich aufgeschwemmte Insel Schamin war nach 1859 fast hundert Jahre lang das Fremdenviertel von Kanton. Sie hat am Perlflußufer eine herrliche Promenade mit knorrigen alten indischen Feigenbaeumen. In fast jedem Garten sind Tennisplaetze fuer die Angestellten der fremden Konsulate und Firmen. Wang hat mir das Gebaeude gezeigt, in dem bis 1945 das deutsche Generalkonsulat war. Zu Schamin gibt es nur zwei Zugaenge, zwei Bruecken ueber den Kanal, der die Insel von der uebrigen Stadt abtrennt. Auf dem Kanal liegen Hunderte von den beruehmten Kantoner "Blumenbooten". Das sind schwimmende Restaurants mit Singsongmaedchen und Zauberkuenstlern, in denen sich reiche Kaufleute nachts amuesieren. Die 200 Meter lange Perlflußbruecke aus Stahl und Beton sahen wir vom Autobus aus, als wir nach Tungschan fuhren. Hier ist nach Sun Yatsens Tod ein neues Regierungs- und Wohnviertel aufgebaut worden. Das Ministerialgebaeude, in dem Wangs Onkel arbeitet, ist im Stil alter chinesischer Tempel gebaut. Wir wollten mit Onkel Wang im Auto zurueckfahren - leider war er schon weg. In Tungschan haben wir auch einen Blick in ein Heim fuer Aussaetzige getan. Welch schrecklicher Anblick! Waehrend den Leprakranken die Glieder abfaulen, schwillt ihr Kopf dick auf..

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