Aus dem Sanella-Album China Tibet Japan

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Seite 33

Tschien Kang Lu. Es ist das letzte Haus an einem Feldweg, der sich in nassen Reisfeldern totläuft. Ein einsames Haus, rundum von einem hohen, aus Bambuszweigen geflochtenen Zaun umgeben. Der vom Wangpuwasser noch triefende Mann ist wieder ganz zu sich gekommen. Er will Wang und Tom, die hinten im Auto sitzen, ein Trinkgeld geben. Sie sollen ihm nicht weiter behilflich sein. Nur der Chauffeur darf seinen Koffer ins Haus tragen. Indessen wendet Wang mit Mühe den Wagen um. Fast wäre er dabei in einen tiefen Graben geraten. - Der Chauffeur kommt immer noch nicht wieder. Plötzlich ein lauter Schrei aus dem Haus. Beide Jungen rennen auf die Tür zu. Aber Wang hält Tom zurück. "Hier stimmt etwas nicht! - Ich gehe allein! - Wenn ich in einer Minute nicht wieder draußen bin, holst du Hilfe!" Tom klopft das Herz. Er horcht... Noch ein Schrei? Wang? Tom wirft sich ans Steuer und jagt auf die Tschun Kung Road zurück. Ein Schuß knallt hinter ihm her. Soll er den Pförtner der Baptistenschule alarmieren oder gleich zur Polizeistation an der Grenze der Internationalen Niederlassung fahren?

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Der Kilometerzähler zeigt 80. Er jagt an dem Tor des Schulparks vorbei. 85! In der Kurve der Hauptstraße ein Gefährt mitten auf der Straße. Tom tritt auf den Bremshebel, daß er fast durch die Scheibe fliegt. Polizeistreife!! Drei chinesische Polizisten mit Panzerwesten und Maschinenpistolen auf Motorrad mit Beiwagen. "Tufei", schreit Tom, "Tschien Kang Lu". Er klettert einfach zu dem Mann in den Beiwagen. Mit 90 geht es zur Ecke des Feldweges zurück.

Dann schleichen sie sich mit entsicherten MP.s an. "I ko tufei", flüsterte Tom und hebt dabei den Daumen hoch. "Nur ein Tufei!" Tom und zwei Polizisten nehmen hinter dicken Weidenbäumen Deckung. Der dritte geht auf die Haustür zu. Da wird sie aufgerissen, der Chinese mit dem Koffer will sich davonmachen. So schnell hat er keine Polizei erwartet. Als er drei Pistolenläufe auf sich gerichtet sieht, läßt er den Koffer fallen und hebt beide Hände. Zwei Polizisten fesseln ihn, der dritte untersucht den Koffer. Dreißig Pfd. Opium, pfundweise in Ölpapier verpackt! Das Haus scheint unbewohnt zu sein. Zimmer ohne Möbel. Im Keller liegt der Chauffeur, in der Küche Wang auf dem Boden. Beide gefesselt und geknebelt, aber beide unverletzt. Zehn Minuten später fahren das Polizeikraftrad und der wieder vom Chauffeur gesteuerte Wagen bei der Polizeistation vor. Der Tufeischmuggler wird eingeliefert. Der Chauffeur und die Jungen müssen ein Polizeiprotokoll unterschreiben. Davon, daß Tom mit 80 und ohne Führerschein die Schun Kung Road entlangbrauste, ist gar nicht die Rede. Im Gegenteil. Tom erhält von dem Polizeioffizier ein hohes Lob. Am nächsten Morgen steht die Geschichte unter dicken Überschriften in allen Zeitungen Schanghais. Chinesisch, englisch und französisch:

DEUTSCHER JUNGE ENTLARVT OPIUMSCHMUGGLER, RETTET CHINESISCHEN FREUND UND CHAUFFEUR.

Am Abend ruft Vater Birkenfeldt unerwartet wieder aus Nanking an. Auch er hat die Geschichte in der Zeitung gelesen. Er gratuliert Tom und Wang und dem Chauffeur, aber er rät Tom noch einmal, vorsichtig zu sein. "Mach schnell die Fahrerprüfung und komm dann zu mir nach Nanking!"

Letzte Tage in Schanghai

Schon am nächsten Tage lassen Tom und Wang sich an das Südende der Route Ghizi fahren. Dort ist das Büro der chinesischen Stadtverwaltung, das für Führerscheine zuständig ist. Sie melden sich für einen der nächsten Tage an und sehen dann im Hof eine Weile zu, wie andere Anwärter im "Irrgarten" ihre Prüfung versuchen. Das Schwierigste ist eine Durchfahrt durch ein enges "Tor", das durch zwei gewöhnliche Literflaschen angedeutet ist. Fällt eine der Flaschen bei der Durchfahrt um, so ist der Prüfling durchgefallen. Er darf sich aber gleich für eine neue Prüfung anmelden. Die aufgestellten chinesischen Verkehrszeichen gleichen größtenteils den international üblichen. Anders sind nur ein Zeichen für Brücke sowie die für Parken und Parkverbot. Zwei Tage später bestehen beide Jungen ihre Prüfung ohne Schwierigkeiten. Die Durchfahrt durch das Flaschentor haben sie in Kiangwan bei jedem Tempo geübt. Gegen acht Dollar Vergütung können sie ihren neuen Führerschein gleich mit nach Hause nehmen. Tom steuert den Wagen zurück, quer durch die Französische Konzession und ein Stück über die Avenue Joffre. Es ist seine zweitletzte Fahrt mit dem Wangschen Familienwagen. Morgen fährt er zu seinem

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