Aus dem Sanella-Album China Tibet Japan

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Vater nach Nanking. - Lange hat er mit den Wangs überlegt, ob er besser einen Dampfer oder die Eisenbahn nimmt. "Denke an die "Suiwo!" warnt Frau Wang. Auch Herr Wang rät zur Bahnfahrt. "Vom Zug aus kannst du über 100 Kilometer lang das Leben und Treiben auf dem Kaiserkanal beobachten!" - "Und Sutschau sehen!" ruft Hsi=ping dazwischen, "Sutschau, das vielleicht noch schöner als Hangtschau ist." - So entscheidet sich Tom für die Bahnfahrt. Wenn er den frühen Morgenzug nimmt, kann er die Fahrt in Sutschau drei Stunden unterbrechen und doch noch bei Tage in Nanking sein. Nach einem großartigen Abschiedsessen im Hause Wang verbringen die Freunde den letzten Abend im Freilichtkino im Jeßfield=Park. Dort läuft ein abenteuerlicher Film, eine Darstellung aus der chinesischen Geschichte. Tom ist überrascht, wieviel besser er nun schon das fremdartige chinesische Leben versteht als damals in Hongkong, wo er den Tigergeneral sah. Hung Hsiu Tschüan, der Titelheld dieses Films, ist auch ein chinesischer General.

Er war der Anführer der "Haarrebellen", die 1851 gegen die Mandschukaiser in Peking aufstanden und nicht länger den verhaßten Zopf tragen wollten. Er gründete in Nanking ein Königreich des "Großen Friedens" ("Tai Ping"), das sich zeitweise über 16 Provinzen ausbreitete und 11 Jahre lang dem Ansturm der Mandschuheere widerstand. Hung Hsiu Tschüan nannte sich selbst den zweiten Sohn Gottes und einen jüngeren Bruder Christi. Was er aber dem Lande brachte, war kein großer Friede, sondern furchtbare Verheerungen und Metzeleien. In Hangtschau wurden 600 000, in Nanking 100 000 Menschen erschlagen. Da der Film auf und vor den Mauern von Nanking aufgenommen ist, hat Tom die Stadt schon kennengelernt, bevor er dahin gekommen ist.

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"Den Spuren der Taipingrebellion wirst du in Sutschau und Nanking noch oftmals begegnen", sagt Wang, als sie in der kühlen Nachtluft langsam nach Hause schlendern. "Schade, daß ich nicht mit dir fahren kann." Eines aber versprechen sie sich ganz fest, bevor sie sich gute Nacht sagen. Mit den 600 Dollars wollen sie gemeinsam eine Flußreise auf dem Jangtsekiang machen. "Bis an den Rand von Tibet!!"

Nach Nanking!

In dem guten alten Familienauto haben Wang und der Chauffeur Tom zum Nordbahnhof gebracht. Sie haben sein Gepäck und den Eßkorb über einem guten Fensterplatz verstaut und lange Abschied gewinkt. Tom fährt nun zum erstenmal allein! Er sitzt in dem Zug, den er in dem Film "Schanghai=Expreß" in Berlin schon einmal gesehen hat. Aber jetzt erscheint ihm alles ganz anders als damals. Tom ist der einzige Fremde in einem Zug voller Chinesen. Die Mitreisenden in seinem Abteil werfen ihm freundliche Blicke zu, aber unterhalten kann er sich mit ihnen kaum. In wenigen Wochen ist die chinesische Sprache nicht zu erlernen. Die Mitreisenden sprechen durch ihre Augen und Gebärden zu ihm. Sie machen ihn auf manche Sehenswürdigkeit aufmerksam. Dort sind die hohen Stahlmasten des Großsenders Tschenju, der Schanghai mit der Welt verbindet. Da ist wieder die fruchtbare Ebene mit ihren Feldern und Kanälen, Dschunkensegeln und Wasserschöpfrädern. Wo diese nicht von Menschen getreten werden, besorgen Göpelräder, von Büffeln gezogen, den Betrieb. Mit verbundenen Augen trotten die Büffel ohne Treiber rundum.

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