Aus dem Sanella-Album China Tibet Japan

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Vom Mausoleum zurückblickend, sehen sie das kiefernbestandene Hügelgelände des Nationalparks. Dort ist neben dem 50 000 Besucher fassenden Stadion auch ein Schwimmbad, in dem Tom ohne Gefahr baden kann. Er läßt Herrn Lebetanz, der zu einer Pressekonferenz muß, allein zurückfahren und mischt sich unter die chinesische Jugend, die es im Schwimmen den Japanern gleichzutun versucht. Wirklich gute Schwimmer tummeln sich in diesem herrlichen Bad. Kristallklares Wasser über weißen Kacheln. Umkleidezellen mit grünglasierten Ziegeldächern auf rotlackierten Säulen. Ein wahres Märchenbad! Mit dieser Badgelegenheit in der Nähe gefällt es Tom in Nanking noch besser. Zwar hat sein Vater wenig Zeit für ihn, aber mit einem Stadtplan als Führer und Herrn Lebetanz als Ratgeber ist Tom den ganzen Tag beschäftigt. Spätnachmittags läßt er sich gewöhnlich in einer Rikscha zum Freibad hinausfahren. Abends muß er achtgeben, daß er nicht zu spät zurückkehrt. Kurz nach Eintritt der Dunkelheit werden die Tore geschlossen, und dann nützt kein Rütteln und Rufen. Die Tore werden vor dem Morgengrauen nicht wieder aufgemacht. In vierzehn Tagen lernt Tom Nanking besser kennen als mancher fremde Geschäftsmann, der sich jahrelang hier aufgehalten hat. Er ist immer unterwegs: auf der Mauer und an den Toren, bei Tempeln und Pagoden, in Hsiakwan, der Ufervorstadt, wo die Eisenbahnfähre die Expreßzüge nach dem Norden übersetzt, bei den Mingkaisergräbern und in den Purpurbergen. Vor dem jetzt so friedlichen Taipingtor rudert er auf dem Lotosteich zu den fünf Inseln, die launigerweise die "Fünf Erdteile" genannt werden. Ein anderer berühmter Lotosteich liegt zwischen tief herabhängenden Weidenbäumen vor dem Wassertor. im Südwesten der Stadt. Mo Tsu ("Ohne Sorge") ist sein Name. In dem Teehaus an seinem Ufer trinkt Tom ein Schälchen Reiswein, wie es vor 1200 Jahren Chinas berühmtester Dichter Li Tai=po oftmals getan hat.

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Tom hat sich ein Gedicht von ihm aufgeschrieben: Der Lotos blüht, und die Sonne lacht. Ich wate hinein in den Teich. Der roten Blumen frischblühende Pracht hat rings um mich her ihre Gluten entfacht. Ich schwinge sie hin, und ich schwinge sie her und tauche sie tief in die Flut. Dann tragen sie Perlen vieltausend und mehr; und ich schwinge sie hin, und ich schwinge sie her, damit ich den Perlen das Rundsein verwehr: Nur die langen gefallen mir gut. Ohne Sorge kehrt er von solchen Ausflügen und vom Baden heim. Um so mehr fällt es ihm auf, daß sein Vater keineswegs ohne Sorgen ist. Die Geschäftsverhandlungen kommen nicht voran. Eines Mittags kommt Vater Birkenfeldt sehr verspätet zum Essen ins Hotel. Er ist ärgerlich. "Nun muß ich wegen der Turbine auch noch nach Peking!" Tom tut es leid um seinen Vater. Für sich selbst hat er schon lange den Wunsch gehabt, neben Nanking, der "südlichen Hauptstadt", auch Peking, die "nördliche Hauptstadt", kennenzulernen.

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Mit dem Vater Richtung Peking

Tom nimmt seinem Vater die Gänge zum Reisebüro ab. Täglich gehen zwei durchgehende Expreßzüge mit Schlafwagen. Ab Nanking Dienstag früh, an Peking Mittwoch nachmittag. Oder ab Nanking Dienstag nachmittag, an Peking Mittwoch gegen Mitternacht. Tom rechnet nach. Rund dreißig Stunden Fahrt bei 1150 Kilometer Entfernung. Wahrlich kein übermäßiges Tempo! Nebenbei (und ohne väterlichen Auftrag) erkundigt er sich auch, wann diese Züge in Taian und in Küfu halten. Taian, das ist die Station für einen Aufstieg auf Chinas berühmtesten heiligen Berg Taischan. In Küfu, dem Mekka der Konfuzianer, leben noch heute direkte Nachkommen des alten Weisen, dessen 2500. Geburtstag man 1949 in der ganzen Welt gedachte. An den beiden heiligen Orten möchte Tom nicht vorüberfahren. Auch wenn sein Vater keine Zeit hat. Der Nachmittagszug ab Nanking eignet sich viel besser für seinen Plan. Mit dem Frühzug käme er mitten in der Nacht in Küfu an. Vater Birkenfeldt hat viele Bedenken gegen Toms Pläne. Er möchte zu seinem geschäftlichen Ärger nicht auch noch neue Sorgen um Tom haben.

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